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Surround-Effekte analog und digital

Echoes of venice: Renaissance-Musik meets digitale Technik

Zur Zeit der Renaissance spielt Venedig eine herausragende Rolle in Europa, politisch wie künstlerisch. Als Sinnbild dafür steht die Basilica di San Marco, der Markusdom. Die räumlichen Dimensionen seines Kirchenschiffs sind überwältigend und fordern förmlich dazu heraus, diese zu durchdringen und zusätzlich auszuweiten, auch musikalisch: Chöre werden an verschiedenen Orten der Kathedrale aufgestellt, Surround-Effekte getestet und Raumklang als musikalisches Ausdrucksmittel genutzt – alles ohne elektronisches oder gar digitales Equipment. Eine Ahnung dieser überwältigend neuen Klangerfahrung will ein Projekt des Instituts für Aufführungspraxis und des Landeszentrums MUSIK-DESIGN-PERFORMANCE der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen vermitteln, das Audrey Manganaro, Historische Posaune, konzipiert und organisiert hat. Unterstützt wurde sie dabei vom Trossinger Laptopensemble unter Leitung von Prof. Sonja Schmid, von Prof. Thorsten Greiner und Daniel Leguy-Madžar, visuelle Gestaltung, Wolfgang Mittermaier, Tontechnik, und Dr. Joachim Goßmann, Mehrkanalanlage.

Weitere Bausteine und Impressionen von der Arbeit am Projekt "Echoes of venice"

Zum Hintergrund

Das 16. und 17. Jahrhundert sind geprägt durch das Bewußtwerden der räumlichen Dimension und der Weitung dieses Raumes in der sichtbaren wie der geistigen Welt. Auch die Architektur von San Marco erzeugt durch ihre Apsiden und Emporen ein schier grenzenloses Raumerlebnis. Thorsten Greiner hat gemeinsam mit Daniel Leguy-Madžar, Master Musicdesign, für das Projekt ein visuelles Konzept entwickelt, das sich mit der Architektur und dem Raumgefühl des fünfkuppligen Bauwerks auseinandersetzt und es quasi live im Trossinger Konzertsaal neu errichtet. Eine besondere Rolle bei der Durchdringung der Weite spielt damals wie heute die Zeit, die benötigt wird, um einen Raum zu durchqueren: sowohl die der Besucher als auch die Zeit, die der musikalische Klang benötigt, um den Raum mit Schallgeschwindigkeit zu durchmessen, dabei durch Wände, Säulen und Kuppeln in Reflektionen gebrochen und gespiegelt zu werden und so den langsam abklingenden Nachhall des Raums anzuregen.

Die zahlreichen Emporen von San Marco laden förmlich dazu ein, Musiker im Raum zu verteilen und gemeinsam dezentral zu musizieren. Die hierbei auftretenden Schwierigkeiten, die Musik zu synchronisieren, führte bekanntermaßen zur Entwicklung der Venezianischen Mehrchörigkeit, also der Verwendung von mehreren Ensembles, die beispielsweise in antiphonischen Sequenzen einander zu antworten scheinen. Durch die Verteilung der Musiker im Raum erleben die Zuhörer, dass die Wirkung der Chöre und Ensembles so noch facettenreicher wird. Die Fläche des Markusdoms wird musikalisch förmlich vergrößert, Effekte erprobt und die Polyphonie weiter entwickelt.

Es ist kaum Zufall, dass alle wichtigen Vertreter der venezianischen Mehrchörigkeit entweder in San Marco gearbeitet haben oder zumindest als Besucher dort Anregungen mitnahmen und in weite Teile Europas trugen. Prägende Personen wie Adrian Willaert, Claudio Monteverdi oder Andrea und Giovanni Gabrieli waren Organisten am Markusdom.

Auch die Trossinger Studierenden ließen sich von den Visualisierungen des Kirchenbaus inspirieren und hauchten mit Hilfe moderner Innovationen und Technologien der großartigen Renaissance-Musik neues Leben ein. Im Mittelpunkt des Projekts stand die Sammlung „Echoes of Venice“, Repertoire der Venezischen Schule, die unter Leitung von Audrey Manganaro auf historischen Instrumenten eingespielt wurde. Das Trossinger Laptopensemble zerlegte diese Aufnahmen in kurze Sequenzen, die sie mittels digitaler Techniken verfremdeten, umschichteten und neu zusammensetzten. Der Prozess des Zusammenspiels und Neukomponierens begann für die sieben Musikdesign-Studierende unter Leitung von Sonja Schmid improvisativ und entwickelte sich dann im Verlauf hin zu einer formalen Gliederung, die sich am Grundriss von St. Marco orientiert - gleichsam einer Art Begehung des Raumes vom Vorplatz durch verschiedene Kuppeln und Kreuzgänge bis hin zum Altar.

Die audiovisuell gestaltete minimalistische 3D Abbildung der Basilica wurde im Verlauf der Stücke von Thorsten Greiner bis ins abstrakte deformiert und schließlich von Daniel Leguy-Madžar mit Textfragmenten aus den Stücken überlagert. Zum ersten mal wurden an der Hochschule für Musik Trossingen Visuals mit einer 3D Game Engine in Echtzeit generiert und interaktiv manipuliert. Dadurch konnten die visuellen Komponenten in den Proben präzise und virtuos mit der Musik in Einklang gebracht werden. Die Musik ihrerseits wurden durch die Nachbearbeitung der Tonaufnahmen durch das Trossinger Laptop-Ensemble TROLL erforscht und weitergedacht: Wenn in einem Raum die akustische Reflektion einer Wand erst nach einem gewissen Zeitpunkt beim Zuhörer eintrifft, wird die Reflektion als „Echo“ wahrgenommen und ist ein zunehmend eigenständiges Schallereignis. In der Produktion „Echoes of Venice“ kehren die Klänge nun mit einer noch wesentlich größeren Verzögerung wieder – bearbeitet, transformiert und remixed – und nehmen so eine ganz eigene Identität an.

Das Projekt durchlief Pandemie-bedingt zahlreiche Veränderungen. Ursprünglich war eine Inszenierung im Konzertsaal geplant, bei der die Studierenden im Raum verteilt musizieren und Aspekte der Kirchenakustik durch unterschiedliche Simulationsstrategien über eine Mehrkanal-Anlage in den Saal projiziert werden. Mit Hilfe von 15 Mikrofonen erzeugte Wolfgang Mittermaier im eher trockenen Saal einen subtilen Nachhall, der die Kirchenatmosphäre auch akustisch lebendig werden ließ. Ein ehrgeiziges Unterfangen, das mit Unterstützung von Joachim Goßmann gelang. Doch leider musste die Aufführung abgesagt und komplett digital weitergearbeitet werden. Die Zwischenspiele des TROLL und die Originalaufnahmen der barocken Werke sollen nun gepaart mit den Visuals, als begehbare Installation in Mehrkanalsystemen realisiert und damit wiederum neue räumliche Dimensionen erschlossen und durchdrungen werden. Geplant ist eine Präsentation Anfang Dezember.

Kurz notiert

Raumklang-Anlage

Auch Alexandro Striggios für sein 40-stimmiges „Ecce Beatam Lucem“ für 5 Chöre zu jeweils 8 Stimmen könnte bei seinem Besuch in Venedig und der dortigen Erfahrung der in die Apsiden verteilten Chöre beeinflusst worden sein – also von einer Erfahrung des Umgebenseins von individuellen, räumlich verteilten Auflösung stimmlicher Identitäten.

Hier kommen moderne Raumklang-Anlagen, mit denen die Position von Klängen als unabhängige musikalische Parameter verwendet werden können, an ihre Grenzen. Schwerlich lässt sich dieses „schöne Licht“ Striggios simulieren und somit suggerieren, von einzeln aufgelösten Ereignissen musikalischen Klangs räumlich umgeben zu sein.

3 D Game Engin

Eine Grafik-Engine (wörtlich „Grafik-Maschine“, freier etwa: „Grafiktriebwerk“ oder „Grafikmodul“) ist ein Teil eines Computerprogramms oder einer Computer-Hardware, eine sogenannte Engine, die für die Darstellung von Computergrafik zuständig ist. Meist handelt es sich dabei um möglichst realitätsgetreue 3D-Computergrafik, wie Gegenstände, Umwelt und Personen (Stichwort: Virtuelle Realität). Im Zusammenhang mit 3D-Computergrafik bezeichnet man die Grafik-Engine daher dann auch als 3D-Engine. Konkret handelt es sich dabei um einen integrierten oder extern gelagerten Programmcode, der parallel zum eigentlichen Spiel  für die Berechnung der Grafikschnittstelle zuständig ist.

Die Grafik-Engine wird häufig als Teil der Spiel-Engine verstanden, tatsächlich ist sie aber ausschließlich zur Berechnung der Anzeige zuständig, während der Begriff Game Engine die Basis des gesamten Spiels darstellt (Audio, Gameplay, Menüs usw.). Neben Spielen können auch andere Anwendungen, wie CAD- oder Geoanwendung und allgemein Visualisierungs-Software eine Grafik-Engine ansteuern. Sie wird oft mit der Render-Engine verwechselt, welche nur die in der 3D-Welt vorhandenen Daten auf der Anzeige ausgibt. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Grafik-Engine )