Wissenschaftlich forschen in Trossingen
Seit dem Jahr 2003 hat die Staatliche Hochschule für Musik Trossingen das Promotionsrecht in den beiden Fächern Musikwissenschaft und Musikpädagogik, seit dem Jahr 2015 auch das Habilitationsrecht.
Aktuelle Promotionen
Christoph Scheerer
Das Verhältnis von c und ¢ vom 15. bis zum Beginn des 17. Jahrunderts. Eine Untersuchung zum Verständnis und Gebrauch der beiden Mensurzeichen in Theorie und Praxis
In seinem Dissertationsvorhaben befasst sich Christoph Scheerer mit der Bedeutung des so genannten Diminutionsstrichs von seinem Aufkommen bis zur Entwicklung des modernen Taktsystems, in dem er heute vom „Alla-breve-Takt“ her noch bekannt ist. Die Arbeit untersucht dabei sowohl die musikalischen Quellen, in denen der Diminutionsstrich Verwendung findet, als auch die Aussagen dazu, die in zeitgenössischen musiktheoretischen Traktaten getroffen werden. Die Spannungen, die zwischen beiden Quellentypen und innerhalb der Quellentypen selbst bestehen, sind ursächlich dafür, dass die moderne Aufführungspraxis von Musik aus dem untersuchten Zeitraum immer wieder vor dem Problem der korrekten Deutung des Diminutionsstrichs steht. Diese Spannungen zu erhellen und womöglich aufzulösen sowie Lösungsvorschläge für eine den Quellen entsprechende Aufführung dieser Musik zu bieten, ist das Ziel der Dissertation.
Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Nicole Schwindt betreut.
Julia Wernicke
Perspektivwechsel: Entwicklungspotenziale für Studierende im inklusiven Projekt „Theater mit Musik“ – eine qualitative Studie
Das Dissertationsvorhaben von Julia Wernicke befasst sich mit dem Themenfeld Musik und Inklusion. Es ist angebunden an das inklusive Projekt „Theater mit Musik“ des Fachs Musik und Bewegung/Rhythmik an der MH Trossingen unter der Leitung von Prof. Dr. Dierk Zaiser.
Mit dem bisher selten angestellten Perspektivwechsel möchte diese Promotion den Wert solcher Projekte näher beleuchten: Das angestrebte empirische Forschungsvorhaben soll das Entwicklungspotenzial der Studierenden hinsichtlich Persönlichkeit, Methoden-, Sozial-, sowie künstlerischer Kompetenzen durch Teilnahme am inklusiven Projekt „Theater mit Musik“ untersuchen.
Ausgehend von theoretischen Grundlegungen mündet das Forschungsprojekt in einer qualitativen Studie, in der unterschiedliche Daten trianguliert werden. Der empirische Teil wird wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Christina Zenk. Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Alexander J. Cvetko betreut.
Einblicke in die Forschungsarbeit
Julia Wernicke, BA Gebärdensprachen an der Universität Hamburg sowie Diplommusikerziehung Rhythmik am Hamburger Konservatorium. Mehrjährige Erfahrung in der Arbeit mit inklusiven Gruppen, Fachlehrerin Rhythmik/Musik und Bewegung an der Förderschule Hören und Kommunikation Johann-Joseph-Gronewald Köln sowie Rhythmikerin in der Grundstufe an der Rheinischen Musikschule Köln.
Elisa Ringendahl
„Ich bin kein Gelehrter, ich bin musikalisch“ - Untersuchungen zum Musik- und Kunstjournalismus Oscar Bies
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit den kulturjournalistischen Schriften des Berliner Musik- und Kunstpublizisten Oscar Bies (1864-1938).
Die spärlichen Ansätze einer musik-, literatur- oder kunstwissenschaftlichen Bie-Rezeption, die es im 20. Jahrhundert gibt, stempeln den Autor geschlossen zum „Impressionisten.“ Dieses Verdikt stützt sich vorrangig auf den sogenannten „Subjektivismus“, von dem Bie sich in seinen Texten über Kunst und Musik vermeintlich leiten lasse. Bies Versuch, die eigene Persönlichkeit zur Instanz eines ästhetischen Urteils zu erheben, sei ein Zeichen seiner Zeit und verkörpere die „ästhetische Kultur“ einer zu Beginn des 20. Jahrhunderts in allen Bereichen des geistigen Lebens grassierenden Einfühlungsästhetik.
Die historiografisch in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Deklaration zum „Impressionisten“ steht einer gewinnbringenden Auseinandersetzung mit Bies Ideen zur Musik im Weg. Wer dem Autor eine einseitige Geschmackskultur vorwirft, unterläuft seinen Anspruch, über Musik Aussagen machen zu wollen, die das Wesen von Kunst schlechthin erfassen. Bie rückt in seinen Texten das Verhältnis von Kunstwerk und Kunstbetrachter in den Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung, ohne sich von stil- oder gattungsgeschichtlichen Zwängen einengen zu lassen.
Das Dissertationsprojekt nähert sich Bies Ideen zur Musik von zwei Seiten. Zum einen wird Bies Beschäftigung mit dem Kunstgewerbe verstärkt in den Blick genommen. Am Beispiel der Gebrauchskunst zeigt Bie, wie Kunst von ihrem Betrachter erfahren wird. Zum anderen untersucht das Projekt Bies eigene Reflexionen darüber, wie über Musik angemessen geschrieben werden kann. Die Frage nach dem „Schreiben über Musik“ ist für Bie kein Rechtfertigungsversuch seines eigenen Treibens, sondern Teil seines Denkens über Musik selber.
Die Arbeit wird von Prof. Dr. Thomas Kabisch betreut.
Sophia Waldvogel
Künstlerisches und soziales Erleben und Handeln beim Improvisieren in Musik und in Bewegung in Kontexten der Erwachsenenbildung
Sophia Waldvogel untersucht in ihrer qualitativ-explorativen Studie die Zusammenhänge des künstlerischen und des sozialen Erlebens und Handelns von Erwachsenen beim Improvisieren. Dafür werden in unterschiedlichen Kontexten der Erwachsenenbildung Gruppenimprovisationen in Musik und in Bewegung videographisch erhoben und Video-stimulated Recall Interviews mit den Anleitenden und Teilnehmenden geführt. Die Auswertung der Daten erfolgt mithilfe der reflexiven Grounded Theory nach Franz Breuer. Diese Forschungsmethodologie erlaubt, sowohl das subjektive Erleben als auch die Interaktionen der Akteur:innen in den Blick zu nehmen, der Simultanität, Sequenzialität und Komplexität improvisatorischer Prozesse gerecht zu werden und die Rolle der Forschenden im Forschungsprozess zu reflektieren.
Die Arbeit wird von Prof. Dr. Philipp Ahner betreut.
Promotion
Zur Promotion berechtigen nicht nur wissenschaftliche, sondern auch künstlerische Hochschulabschlüsse. Die Einzelheiten dieser Voraussetzungen sowie Art und Umfang der ergänzenden Studienleistungen werden von der Promotionsordnung geregelt.
Habilitation
Seit dem Jahr 2015 verfügt die Staatliche Hochschule für Musik über das Habilitationsrecht. Zugangsvoraussetzung ist in der Regel eine wissenschaftliche Promotion. Die Venia Legendi ist in den Fächern Musikwissenschaft oder Musikpädagogik möglich.